Eine Entscheidung treffen: Warum fällt das manchmal so schwer?

Im Laufe des Lebens, sogar binnen eines einzelnen Tages, stehen Menschen immer wieder vor Entscheidungen – laut der Neurowissenschaftlerin Barbara J. Sahakian vor etwa 35.000 pro Tag. Welche Wahl Sie letztlich treffen, hängt einerseits vom Gewicht der Frage, andererseits aber auch von gemachten Erfahrungen ab. Wie komplex und bedeutend die Rolle des Gehirns dabei ist, erfahren Sie in diesem Artikel.
Kurz gefasst
  • Das Gehirn nutzt bereits gemachte Erfahrungen und kognitive Karten, um Entscheidungen zu treffen.
  • Auch die Intuition, das Bauchgefühl, spielt eine große Rolle und wird durch die Großhirnrinde gesteuert.
  • Botenstoffe wie Dopamin und Serotonin beeinflussen den Prozess auf biologischer Ebene.
  • Einfache Tricks und Methoden können im Alltag und vor großen Entscheidungen dabei helfen, ein Urteil zu fällen.

Wie treffen Menschen hauptsächlich Entscheidungen?

Die meisten Entscheidungen, wie bereits erwähnt etwa 35.000 pro Tag, sind in der Regel nicht lebensverändernd. Sie bestimmen allenfalls das Mittagessen, das neue Smartphone oder das Outfit für den Tag im Büro. Es gibt aber auch Beschlüsse, die den weiteren Lebensweg langfristig bestimmen, etwa ein Umzug, die Berufswahl oder das Beenden einer Beziehung. 

Entscheidungen aus dieser Kategorie dürften vielen Betroffenen deutlich schwerer fallen. Doch woran liegt das? Dafür sollte zunächst ein Blick auf das menschliche Gehirn und seine Funktionsweise geworfen werden.

Das Gehirn lernt stetig dazu

Neueste Untersuchungen des Max-Planck-Instituts haben ergeben, dass Entscheidungen auf Basis der gemachten Erfahrungen getätigt werden. Das heißt: Das Gehirn lernt und greift auf bisher Erlebtes aus ähnlichen Momenten zurück. Verläuft der Arbeitsweg mit dem Bus jeden Tag reibungslos, so wird der Entschluss, ihn mit dem Fahrrad zurückzulegen, weniger schnell gefasst.

Das Gehirn baut sich mit der Zeit also bestimmte Wissenskarten auf, um sie in den passenden Augenblicken abzurufen. Auf diese Weise wird eine rationale Entscheidung getroffen. Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass das Gehirn sogar eine Unterscheidung macht und die folgenden Karten hervorholen und sogar miteinander kombinieren kann:

  • Räumliche Karten: In der Studie wurden bestimmte Orte auf einer virtuellen Karte an Belohnungen geknüpft. Probandinnen und Probanden merkten sich die Orte, an denen sich Belohnungen versteckten, schneller und konnten in einem zweiten Schritt abrufen, wo sich diese Belohnungen befanden.
  • Zeitliche Karten: Die Belohnungen wurden natürlich erst verteilt, sobald die Teilnehmenden den entsprechenden Ort gefunden hatten. Wie schnell und vor allem wie sich die Testpersonen durch die Karte bewegten, war dabei sehr individuell. 
Gut zu wissen

Was wurde in der Studie genau herausgefunden? 

„Zusammengenommen haben wir in der Studie nachgewiesen, wie die kognitiven Karten des Gehirns flexibel für Schlussfolgerungen genutzt und aktualisiert werden. Befinden wir uns in einer Situation, die wir zuvor noch nie erlebt haben, greifen wir auf das Kartenwissen in unserem Hippocampus zurück, um adäquat im neuen Kontext zu handeln“, erklärt Christian Döller. Er ist Direktor am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften.

Die Psychologie: Entscheidung beruht auf Bauchgefühl?

Der renommierte Psychologe Gerd Gigerenzer beruft sich auf die Intuition eines Menschen. Der Experte sagt, dass sie die Basis vieler Entscheidungen ist – das Gehirn wisse oftmals viel früher Bescheid, bevor ein Mensch Worte dafür finden könne. 

Gut zu wissen

Zusammenspiel zwischen Hirn-Arealen

Insbesondere in der Großhirnrinde wird die Grundlage für Intuition geschaffen. Der jüngste Teil dieses Areals, der Neokortex, ist für das bewusste, rationale Denken zuständig, während die Amygdala (Mandelkern) Empfindungen im Zwischenhirn wahrnimmt. Diese rasen in Sekundenbruchteilen zurück zum Neokortex, welcher in seiner Arbeitsweise beeinflusst wird. Das Ergebnis: Gefühle beeinflussen das Denken und Handeln.

Das sagt die Biologie über das Treffen von Entscheidungen

Schritt für Schritt lernt das Gehirn, bei welchen Entscheidungen es eine Belohnung bekommt und berechnet, wie viel Zeit, Aufwand oder Aufmerksamkeit es künftig investieren muss. 

Ein Team der Humboldt-Universität in Berlin weiß inzwischen, dass die Hormone Dopamin und Serotonin – viele kennen sie auch als Glückshormone – in diesem Prozess eine große Rolle spielen.

Wie kann ich eine richtige Entscheidung treffen?

  1. Vertrauenswürdige Quellen finden: Treten Zweifel auf, sollten Sie sich fundiert informieren. Eventuell gibt es entsprechende Fachartikel oder Personen, die Sie professionell beraten können. Die FAQ-Seite der Organspende hält beispielsweise alle Fragen zum Thema bereit.
  2. Zeitdruck vermeiden: Fühlen Sie sich gestresst, weil eine Entscheidung bevorsteht, laufen Sie Gefahr, die eigene Beurteilungsfähigkeit zu beeinflussen, sodass Sie womöglich sogar eine Entscheidung bereuen.
  3. Alle möglichen Optionen überdenken: Es kann mehrere Wege geben, die zum Ziel führen. Und: Es gibt keine falsche Entscheidung – ein Motto der Organ- und Gewebespende.
  4. Sich Menschen anvertrauen: Teilen Sie sich mit und öffnen Sie sich gegenüber Freundinnen, Freunden oder der Familie. Lassen Sie sich inspirieren oder holen Sie sich neue Sichtweisen ein, sodass Sie am Ende wohlüberlegt entscheiden können.
  5. 10-10-10-Methode: Dieser Prozess stammt aus der Psychologie, weshalb er vom Fachpersonal oft als Hilfestellung herangezogen wird. Begeben Sie sich in ein Gedankenexperiment und fragen Sie sich: Wie denken Sie in zehn Minuten, in zehn Monaten und in zehn Jahren über die Entscheidung?

Die Umfrage eines US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts hat zudem ergeben, dass sich die Mehrheit der Befragten (81 Prozent) am liebsten auf die eigenen Recherchen verlässt.

Fazit: Was ist eine gute Entscheidung?

Was sind die wichtigsten Entscheidungen im Leben? Ob es nun ein Hauskauf, das Ausfüllen einer Patientenverfügung, Ehrlichkeit gegenüber einer Person, die Trennung oder der neue Job ist: Entscheidungen zu treffen, ist ein komplexer Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wird – darunter Erfahrungen, kognitive Karten und biologische Prozesse. Währenddessen auftretende Ängste sind berechtigt, sollten aber nicht zur Handlungsunfähigkeit führen. Das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen im Gehirn und der Einfluss von Hormonen kann helfen, den Entscheidungsprozess besser zu verstehen und zu steuern.

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