Empfinden Organspenderinnen oder -spender Schmerzen bei der Organspende?

Damit ein Mensch auf der Warteliste ein postmortal gespendetes Organ bekommen kann, muss dieses Spenderorgan zunächst aus dem Körper der Spenderin oder des Spenders entnommen werden. Da es sich hierbei um eine Operation handelt, treibt viele Menschen eine Frage um: Hat die Organspenderin oder der Organspender bei der postmortalen Organspende Schmerzen? Auf dem Weg zur eigenen Entscheidungsfindung für oder gegen eine Organspende kann diese Frage sehr wichtig sein. In diesem Beitrag wollen wir deshalb eine eindeutige Antwort geben.
Kurz gefasst
  • Organspenderinnen oder -spender sind nachgewiesen und eindeutig tot. Sie empfinden daher keine Schmerzen mehr.
  • Vor einer Organentnahme muss der Tod medizinisch sicher und zweifelsfrei nachgewiesen werden. Zwei Ärztinnen oder Ärzte stellen dazu unabhängig voneinander den unumkehrbaren Ausfall aller Hirnfunktionen (Hirntod) fest.
  • Mit dem Eintreten des Todes erlischt auch die Schmerzwahrnehmung unwiederbringlich.
  • Einige Reflexe, so genannte Rückenmarksreflexe, gehen von den Nerven im Rückenmark aus – auch ohne Beteiligung des Gehirns. Diese Reflexe können zum Beispiel Blutdruck oder Herzschlag verändern. Es kann daher zu Spontanbewegungen des hirntoten Menschen kommen. Das kann als eine bewusste Schmerzreaktion fehlgedeutet werden.

Der Hirntod als wichtigste Voraussetzung zur Organspende

Der Hirntod ist von außen, vor allem für die Angehörigen, nicht direkt zu erkennen. Die Angehörigen sehen die hirntote Person in einem Bett der Intensivstation liegend. Der Körper der hirntoten Person wird weiterhin beatmet, so dass die Organe durchblutet und funktionsfähig bleiben. Maschinen halten die Atmung und das Herz-Kreislauf-System künstlich aufrecht. Der hirntote Mensch erscheint warm, die Haut rosig, während sich der Brustkorb hebt und senkt. Der eingetretene Tod ist so für die Angehörigen äußerlich schwer fassbar. Trotzdem ist der Tod der Person mit der Feststellung des Hirntods eindeutig nachgewiesen.

Die Feststellung des Hirntods, die Hirntoddiagnostik, kann nur auf der Intensivstation eines Krankenhauses vorgenommen werden. Sie passiert nicht mal eben so und schon gar nicht beiläufig. Hinter der Hirntoddiagnostik steht eine bindende Richtlinie der Bundesärztekammer. Alle Krankenhäuser in Deutschland sind gesetzlich verpflichtet, diese Richtlinie genau zu befolgen. Die Hirntoddiagnostik ist umfangreich und kann nur von besonders qualifizierten Fachärztinnen oder -ärzten vorgenommen werden. Bis zur eindeutigen Feststellung des Hirntods können mitunter einige Tage vergehen.

Der Hirntod ist ein sicheres Todeszeichen. Wird er festgestellt, so ist der Tod der Person eindeutig nachgewiesen. Auch wenn die Intensivmedizin in der Lage ist, Atmung und Herz-Kreislauf-System vorübergehend aufrecht zu erhalten, so ist eine Rückkehr ins Leben ausgeschlossen.

Das Schmerzbewusstsein entsteht im Gehirn

Rezeptoren für Schmerzen sind freie Nervenendigungen, die sich überall im Körper – auf der Haut, in den Geweben und Organen – befinden. Werden Schmerzrezeptoren gereizt, so gelangt dieser Reiz über das Rückenmark in das Gehirn. Hier findet die eigentliche Schmerzwahrnehmung statt. Liegt der Hirntod vor, so sind alle Funktionen des Gehirns erloschen, auch die Wahrnehmung von Schmerzen ist damit vollkommen unmöglich.

Dies ist zentral für die Beantwortung der Frage: Hat die Organspenderin oder der Organspender bei der postmortalen Organspende Schmerzen? Nein, Schmerzen kann die Spenderin oder der Spender bei der Entnahmeoperation nicht wahrnehmen. Alle Teile des Gehirns, die die Wahrnehmung von Schmerzen übernehmen, sind unwiederbringlich ausgefallen, ein Schmerzempfinden ist damit unmöglich.

Eine Frau wird von hinten fotografiert, wie sie ihren Arm austreckt und der aufgehenden Sonne entgegenstreckt. Dabei steht sie auf einem Berg, das Tal und Bergketten im Hintergrund sind erkennbar.

Reflexartige Bewegungen bei Menschen mit Hirntod sind möglich

Bei hirntoten Menschen sind alle Teile des Gehirns unwiederbringlich ausgefallen. Jedoch wird der Körper und damit auch das Rückenmark mit Hilfe von Maschinen noch durchblutet. Schmerzreize werden im Gehirn zwar nicht mehr verarbeitet, sie gelangen jedoch noch ins Rückenmark. Durch Reflexe aus dem Rückenmark können sich zum Beispiel Blutdruck oder Herzschlag der hirntoten Person verändern und es kann sogar zu Spontanbewegungen kommen.

Diese Rückenmarksreflexe dürfen nicht mit Handlungen, die dem Bewusstsein des Menschen entspringen, verwechselt werden. Zuckungen, auch an Armen und Beinen, sind nur diese reflexhaften Bewegungen des Rückenmarks. Sie sind kein Lebenszeichen und kein Hinweis auf ein Schmerzempfinden. Sie können beispielsweise auftreten, wenn eine Hand kräftiger berührt wird und damit solche Muskeln zucken, die zu jenem Reflexbogen gehören.

Genau diese reflexhaften Bewegungen können während der Organentnahme-Operation problematisch werden. Um spontane Bewegungen zu verhindern und damit die Organentnahme zu erleichtern, werden Medikamente, die die Muskeln entspannen und Reflexe des Rückenmarks verhindern, gegeben.