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Es ist keineswegs einfach, das Thema Tod anzusprechen

Lesedauer: 5 Minuten

Dr. Marianne Koch setzt sich als Internistin und Medizinjournalistin für eine breitere Akzeptanz des Organspendens ein.

Vertrauen und Kommunikation als Basis

BZgA: „Frau Dr. Koch, Sie haben mehr als 13 Jahre als Internistin ihre eigene Praxis geführt und dabei ganz unterschiedliche Menschen medizinisch betreut, beraten und begleitet. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Fähigkeiten, die Ärzte im Patientenkontakt brauchen – neben dem beruflichen Fachwissen natürlich?“

Koch: „Große Studien zeigen, dass das Vertrauen zwischen Arzt und Patient wesentlich zum Behandlungserfolg beiträgt. Vertrauen entsteht, wenn man Patienten ernst nimmt, sie in ihrem psychosozialen Kontext erkennt, ihnen zuhört und mit ihnen auf einer Sprachebene kommuniziert, die sie verstehen.“

Die Anfänge der Organspende: Von Tabubruch bis Bewunderung

BZgA: „War in ihrem Patientenalltag auch die Organ- und Gewebespende ein Thema, bzw. sind Sie dazu häufig befragt worden? Falls ja: Mit welchen Anliegen und Fragen kamen Menschen auf Sie zu?“

Koch: „Der 3. Dezember 1967, der Tag, an dem der Herzchirurg Christiaan Barnard in Kapstadt zum ersten Mal ein menschliches Herz transplantierte, war, so denke ich, ein entscheidendes Datum für die Wahrnehmung der wunderbaren Möglichkeiten der Organspende.

Ich war sehr aufgeregt und habe diese medizinische Großtat später immer wieder auch mit vielen meiner Patienten diskutiert. Damals galt sie ja für viele noch als ein Tabubruch, als ein „Frevel gegen die Schöpfung“, während andere Bewunderung und auch Hoffnung für viele Kranke empfanden. Seither sind Fragen zur Organtransplantation eigentlich immer wieder und immer öfter gestellt worden, vorwiegend zur optimalen Betreuung von Unfallopfern und zum Gehirntod.“

  • „Die Menschen sind gerade in den letzten Jahren sehr viel aufgeschlossener gegenüber der Organ- und Gewebespende geworden.“

BZgA:„Hat sich aus Ihrer Perspektive die Haltung der Menschen zur Organ- und Gewebespende in den letzten Jahrzehnten verändert? Falls ja, inwiefern?“

Koch: „Nach meiner Beobachtung sind die Menschen gerade in den letzten Jahren sehr viel aufgeschlossener gegenüber dieser Möglichkeit geworden.

Ich bin überzeugt, dass dies mit Aufklärung und besseren Informationen von Seiten der Medizin und der Medien zusammenhängt.“

Änderung des Transplantationsgesetzes 2022: Hausarztpraxen bieten stärkere Beratung zur Organspende

BZgA: „2022 werden Änderungen des Transplantationsgesetzes umgesetzt. Diese Änderungen schreiben Hausärztinnen und Hausärzten eine stärkere Rolle bei der Beratung von Patientinnen und Patienten rund um das Thema Organspende zu. Ist das ein richtiger Schritt? Wie bewerten Sie das aus Ihrer Praxiserfahrung heraus?“

Koch: „Im Prinzip ist dies natürlich richtig. Wer, wenn nicht der vertraute Arzt kann auf fachlicher und emotionaler Ebene über dieses Thema glaubwürdig beraten.

Nur: Es ist keineswegs einfach, das Thema Tod – und darum geht es ja – anzusprechen. Sie brauchen dazu viel Zeit und Einfühlungsvermögen in die Psyche der Patienten und Patientinnen. Ich weiß nicht, ob das Gesetz vorsieht, diesen Zeitaufwand ausreichend zu honorieren. Wenn man an die bisherigen Vergütungen der sprechenden Medizin denkt, bin ich da sehr skeptisch.“

Organspendeausweis – ja oder nein?

BZgA: „Was raten Sie Menschen, die sich unsicher sind, ob sie einen Organspendeausweis ausfüllen sollen oder nicht?“

Koch: „Ich darf als Antwort aus meinem neuen Buch „Unser erstaunliches Immunsystem“ zitieren, in dem ich ein ganzes Kapitel über Organtransplantationen geschrieben habe: Wenn Sie überzeugt sind, dass Sie bei Ihrem Ableben anderen Menschen noch ein wunderbares Geschenk machen wollen – dann ja.

Den Ausweis gibt es in allen Apotheken und bei Ihrer Krankenkasse. Sie können auch entscheiden, welche Organe Sie spenden wollen. Wer erlebt hat, wie glücklich ein Patient ist, der nach einer Transplantation endlich wieder ein normales Leben führen kann und nicht ständig mit dem Tod rechnen muss, dem wird ein solcher Entschluss zur Spende als etwas ganz Selbstverständliches erscheinen.“

Ein persönlicher Bezug nimmt Einfluss auf die Entscheidung.

BZgA: „Hatten Sie – beruflich oder privat – weitere Berührungspunkte zum Thema Organ- und Gewebespende?“

Koch: „Ich war im vorigen Jahr bei einer großen öffentlichen Veranstaltung eine der Mitstreiterinnen für die stärkere Akzeptanz von Organspenden. Außerdem hat eine meiner Freundinnen eine neue Niere erhalten – die erfreulicherweise jetzt bereits seit 12 Jahren bestens funktioniert.“

BZgA: „Sie haben nicht nur als Schauspielerin und Moderatorin, sondern auch als Medizinjournalistin und Autorin ein großes Publikum erreicht. Was ist Ihr „Erfolgsrezept“ für eine gelingende Kommunikation?“

Koch: „Keine Ahnung. Vielleicht meine grundsätzliche Liebe zu Menschen?“

BZgA: „Die Organ- und Gewebespende ist nicht immer ein leichtes Thema, um es Menschen näher zu bringen: Viele verbinden damit Krankheit und die eigene Sterblichkeit. Haben Sie, auch mit Blick auf Ihre unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen, Empfehlungen, wie man das Thema noch besser als bisher sowohl in der Arztpraxis als auch in der breiten Bevölkerung verankern kann?“

Koch: „Wenn das Gesundheitssystem nach dem Abklingen der Corona-Pandemie wieder etwas Geld für andere Probleme ausgeben kann, wäre eine Plakataktion in der Öffentlichkeit, in den Medien und vor allem in den Arztpraxen mit einem schmissigen Slogan und einem klugen Foto sicher wirkungsvoll. Ein Vater hat mir einmal gesagt, dass er den Tod seines 10-jährigen Sohnes viel leichter erträgt, seit er weiß, dass dessen Herz ein anderes Kind gerettet hat.“

BZgA: „Haben Sie die Organspende auch schon in Ihrer erfolgreichen Rundfunkreihe „Das Gesundheitsgespräch“ in Bayern 2 thematisiert?“

Koch: „Selbstverständlich. Wir haben ganze Sendungen darüber gemacht.“

Der Einfluss von Corona auf die Spendebereitschaft

BZgA: „Nehmen Sie wahr, dass die Pandemie die Menschen in ihrem Gesundheitsverhalten beeinflusst? Könnte das auch Auswirkungen auf die Spendenbereitschaft haben?“

Koch: „Ich weiß, dass manche Patienten sich scheuen, in der jetzigen Zeit in eine Arztpraxis oder Klinik zu gehen, aus Angst, sich dort anzustecken. Belastbare Daten, ob die Spendenbereitschaft zurückgegangen ist, kenne ich nicht. Es könnte nur sein, dass die ohnehin sehr belasteten Ärzte in den Intensivstationen zu wenig Zeit für entsprechende Fragen / Beratungen etc. haben. Was allerdings sehr traurig wäre.“

BZgA: „Was würden Sie sich für die Entwicklung der Organ- und Gewebespende in Deutschland wünschen?“

Koch: „Dass wir endlich besseren medizinischen Unterricht in den höheren Stufen der Schulen hätten.“

„Dass nicht nur Anatomie und Physiologie des Menschen – natürlich altersgerecht – den Jugendlichen vermittelt würden, damit sie besser auf ihren Körper aufpassen können, sondern dass auch ein Thema wie Organtransplantation erklärt und diskutiert würde. Damit bekäme es eine viel größere Selbstverständlichkeit.“

 

Dr. Marianne Koch steht der Patientenverfügung positiv gegenüber

BZgA: „Wie stehen Sie zur Patientenverfügung?“

Koch: „Absolut positiv. Es ist allerdings nicht ganz einfach, Anweisungen zu formulieren, die einerseits eine Lebensverlängerung bei Aussichtslosigkeit der Wiedererlangung von Selbstbestimmung zu verbieten; andererseits die Möglichkeit der Organerhaltung über eine gewisse Zeit zu erlauben. Da sollte jeweils eine präzise juristische Formulierung angestrebt werden.“

BZgA: „Würden Sie auch anderen empfehlen, eine Patientenverfügung auszufüllen?“

Koch: „Ja, ganz sicher. Schon, um den Angehörigen solche schwierigen Entscheidungen abzunehmen.

Man kann sich vorstellen, welch traumatisches Erlebnis es für Angehörige ist, wenn der geliebte Sohn, der Ehemann oder die Schwester auf der Intensivstation liegt, rosige Haut, die Brust hebt sich beim Atmen – und gleichzeitig erklären ihnen die Ärzte, dass Sohn oder Schwester oder Mann tot sind. Hirntot. Und dass eine Maschine Atmung und Kreislauf aufrechterhält.

Wenn dann eine Patientenverfügung und ein Organspendeausweis vorhanden wären, könnte das die Familie mit Sicherheit sehr entlasten.“

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