Vorstellungen zum Tod: Wann ist man tot?

Vor der Entnahme von Organen für eine Organspende muss zuerst der Tod des Spenders oder der Spenderin zweifelsfrei festgestellt werden. Aber wann genau ist man eigentlich tot? Dazu gib es unterschiedliche Sichtweisen aus Philosophie, Naturwissenschaften und Kultur.
Kurz gefasst
  • Der Tod von Persönlichkeit, Seele und Körper wird nicht von jedem als Ereignis betrachtet, das immer gleichzeitig stattfindet.
  • In der Medizin wird für die Organspende der Tod über den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod) nachgewiesen.
  • In der Philosophie gibt es viele Ansichten, wann eine Person verstorben ist und was Tod bedeutet.
Zu sehen sind zwei pinke Blüten auf schwarzem Hintergrund, die verwelken.

Viele Menschen unterscheiden zwischen dem Tod des Körpers und dem Tod der Persönlichkeit

Der Tod gehört zum Leben untrennbar dazu. Umso wichtiger ist eine genaue Definition, wann ein Mensch als tot gilt. In vielen Kulturen und Religionen gilt die Ansicht, dass sich Seele und Körper durch das Sterben voneinander trennen. Während der Körper beerdigt wird und auf der Erde bleibt, tritt die Seele, wie im Christentum, Judentum oder Islam, ins Jenseits über. Im Buddhismus beginnt nach dem Tod zum Beispiel ein neues Leben in einem anderen Körper oder die Seele findet durch Erleuchtung ins Nirvana. Körper und Seele sind nicht untrennbar verbunden. Die Seele besteht auch nach dem Tod des Körpers weiter. Im Gegensatz hierzu denken manche Menschen, dass auch ihre seelische Existenz oder ihr Bewusstsein mit dem Tod ihres Körpers ein vollkommenes Ende findet. Die Frage nach dem Tod spielt für die Organspende eine besondere, zentrale Rolle.

Tipps

Weitere Hintergrundinformationen zur Sicht der Religionen auf die Organspende finden Sie auf unserer Informationsseite, wo wir einen Blick auf das Judentum, den Islam und das Christentum werfen.

Gehirn und Körper: Der Tod in der Medizin

Viele Organe und Gewebe können über eine Lebendorganspende gespendet werden. Der größere Teil der transplantierten Organe in Deutschland stammt jedoch aus einer postmortalen Spende, also der Spende von Organen nach dem Tod. Eine Grundvoraussetzung für die postmortale Organspende ist der medizinische festgestellte Tod der Spenderin oder des Spender. Ehe die Organe und Gewebe entnommen werden können, muss der Tod des Spenders oder der Spenderinzweifelsfrei festgestellt werden.

Für die Organspende muss der Hirntod eingetreten sein, der Herztod reicht nicht aus. Die Bundesärztekammer hat hierfür strengste Richtlinien beschlossen, die sich an den aktuellen wissenschaftlichen Stand halten. Der Hirntod gehört zu den sicheren Todeszeichen: Wenn die Hirnfunktionen irreversibel, also unumkehrbar, ausgefallen sind, gilt ein Mensch als tot. Es ist bis heute kein Fall bekannt, in dem der Hirntod wissenschaftlich nachgewiesen wurde und falsch diagnostiziert worden ist.

Geist und Seele: Der Tod in der Philosophie

Für viele Menschen zählt jedoch nicht nur der Tod des Körpers, sondern auch der geistige Tod, also das Versterben der Persönlichkeit. Eine Person ist nach dieser Auffassung dann verstorben, wenn ihre Persönlichkeit und ihr Bewusstsein erloschen sind. Das Verlöschen der Persönlichkeit zu erfassen, ist jedoch sehr schwer. Denn auch bei schweren Leiden, wie beispielsweise Alzheimer oder Demenz, können Teile der Persönlichkeit verloren gehen und die Persönlichkeit eines Menschen tief verändern, ohne dass ihr Körper verstirbt.

In der Philosophie wird zwischen unterschiedlichen Auffassungen des Todes unterschieden. René Descartes beispielsweise verstand die Seele als etwas Unzerstörbares, Ewiges, das auch nach dem Zerfall des biologischen Körpers überdauert. Auch Platon sah die Seele als etwas an, das unabhängig vom Körper existiert und nach dessen Tod überdauert. Aristoteles hingegen begriff Körper und Seele als eine untrennbare Einheit, die beide mit dem Tod ein Ende finden.

Der Tod kann schwierig zu greifen sein

Der griechische Philosoph Epikur schrieb: „Das schauerlichste aller Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“ Der eigene Tod ist für die meisten Menschen also nicht zu erfahren, weil er die Abwesenheit des eigenen Erlebens bedeutet. Wir erleben also nur den Tod anderer Menschen wirklich. Mascha Kaléko beschreibt das in ihrem Gedicht Gedicht „Memento“: „Den eignen Tod, den stirbt man nur / Doch mit dem Tod der andern muss man leben.“

Dies ist auch im Hinblick auf die Organspende wichtig. Der Deutsche Ethikrat hat sich in seiner Stellungnahme aus dem Jahr 2015 ebenfalls detailliert mit der Frage auseinandergesetzt, was Tod ist, und kam zu dem Schluss, dass der medizinisch-körperliche Tod anhand des unumkehrbaren Hirntodes festgestellt werden sollte. Erst dann darf eine postmortale Organ- oder Gewebespende durchgeführt werden. Auch wenn ein Körper nach dem Hirntod künstlich beatmet werden kann, um Organe bis zur Spende intakt zu halten, gelten der Mensch und seine Persönlichkeit bereits als verstorben.

Die Philosophie gibt uns viele Interpretationen des Todes, aber keine einheitliche Antwort auf die Frage, wann jemand tot ist. Wir haben ein komplexes Verhältnis zu unserem eigenen Sterben und dem Tod. Mit diesem sehr intimen Thema sollte sich jeder persönlich auseinandersetzen und ein eigenes Verständnis vom Tod finden. So können wir alle eine informierte Entscheidung darüber treffen, was mit uns und unserem Körper nach unserem Tode passieren soll und ob wir Organspenderinnen und Organspender werden möchten.

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